Ganz unten nach einem Leben voller Arbeit

21. August 2022 von Redaktion

Unter dem Titel "Berliner lebt von 317 Euro" berichtet die Berliner Zeitung von einem Schicksal, das für viele steht.

Ein großer Teil der Berliner Fahreinnen und Fahrer von Taxis und Mietwagen lebt wie in diesem Artikel geschildert. Er zeigt beispielhaft, wie sehr Menschen aus allen im Gesetz gegen die Schwarzarbeit (SchwarzArbG) genannten Branchen von Armut und Altersarmut betroffen sind. Die ist für Geringverdiener [1] fast unvermeidbar, egal wie sehr sie sich anstrengen:

  1. Im Baugewerbe,
  2. im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
  3. im Personenbeförderungsgewerbe,
  4. im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe,
  5. im Schaustellergewerbe,
  6. bei Unternehmen der Forstwirtschaft,
  7. im Gebäudereinigungsgewerbe,
  8. bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen,
  9. in der Fleischwirtschaft,
  10. im Prostitutionsgewerbe,
  11. im Wach- und Sicherheitsgew6erbe. ...

... müssen Beschäftigte nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 bis 10 SchwarzArbG bei der Arbeit Personalausweis und Sozialversicherungsausweis mit sich führen. Damit kann leichter geprüft werden, ob sie bei der Sozialversicherung gemeldet und für sie Lohnsteuer gezahlt wird. Gegen Niedriglöhne und Altersarmut hilft das Gesetz jedoch nicht.

Die einfachen abhängig Beschäftigten und kleinen Selbständigen dieser Branchen befinden sich in einer Zwickmühle. Entweder sie akzeptieren, dass ihnen ein großer Teil des Lohns unter der Hand ausgezahlt wird, und sie damit höhere Transferleistungen erhalten. Beide Einnahmequellen zusammen ermöglichen ein normales Leben oberhalb der Armutsgrenze. Oder sie sind ehrlich und leben auch während der Zeit ihrer Erwerbstätigkeit in Armut. Die Altersarmut ist ihnen in jedem Fall sicher.

Unter diesen Umständen fällt die Entscheidung so gut wie immer für „das schnelle Geld“, was neben verschärfter Altersarmut weitere Probleme und Gefahren mit sich bringt.

– Die Bosse locken ihre Arbeiterinnen und Arbeiter in eine Gaunergemeinschaft, in der Gehorsam und Loyalität rücksichtslos durchgesetzt werden.
– An das Erstreiten besserer Entlohnung ist nicht zu denken.
– Gewerkschaftliche Durchsetzung besserer Arbeitsbedingungen wird massiv erschwert.
– Betriebrat? Fehlanzeige! Damit entfallen Mitsprache im Betrieb und Einigungsstellen bei Konflikten zwischen Boss und Belegschaft.
– Der mächtige Boss verhandelt immer mit einzelnen schwachen, armen und machtlosen Angestellten.
– Kein Kündigungsschutz, oft gibt es kein Kranken- und Urlaubsgeld.
– Der Boss kann sich wie ein kleiner König aufführen, unmögliche Arbeitszeiten oder unbezahlte Arbeit anordnen.
– Und nicht zuletzt gilt, „die Kleinen henkt man, die Großen läßt man laufen“, und wenns die doch mal erwischen sollte, greift „mitgefangen, mitgehangen“.

Die innerbetrieblichen Beziehungen sind deshalb oft von rüde: „Chef, wenndu nicht zahlst, ich fahr das Auto gegen Baum.“

Hier nun der Artikel über den frühverrenteten Koch. Ein tapferer Mann, dem wie den meisten seiner Schicksalsgenossinnen und -genossen nach Jahrzehnten harten Schuftens noch der bescheidendste Wohlstand verwehrt wird und immer noch glaubt, was man ihm eingebleut hat: „Hättest Du in die Sozialversicherung eingezahlt, würde es Dir jetzt nicht so gehen!“ Das ist eine Lüge, ein millionenfach gebrochenes Versprechen für Niedriglöhner, mit dem Menschen in lebenslange Ausbeutung gezwungen werden.

Zum Artikel in der Berliner Zeitung

[1Wieder einmal verwende ich das generisch Maskulinum, weil Taxis un Mietwagen fast ausschließlich von Männern gefahren werden

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